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Mit der Kraft der Natur gegen Entzündungen

Dr. Nadine Berling ist Professorin für Ernährungsberatung und Public Nutrition an der Apollon Hochschule der Gesundheitswirtschaft in Bremen sowie Autorin des Buches „Entzündungen natürlich behandeln“ (Franzius-Verlag 2021, 132 Seiten, 16,90 Euro). Im Interview mit MEIN TAG erläutert sie, wie man auf natürliche Weise Entzündungen vorbeugen und behandeln kann und worauf man unbedingt achten sollte. 

Die verschiedenen Entzündungsarten

Kurz vorweg: Entzündungen sind – stark verallgemeinert – eine Abwehrreaktion gegenüber Reizen, bei denen das Immunsystem aktiviert wird. Ihre Ursachen reichen von Verletzungen, Infektionen, allergischen Reaktionen über Autoimmunreaktionen (Reaktionen, bei denen das Immunsystem körpereigenes Gewebe angreift) bis hin zu Sonnenbrand und Fehlernährung.. Als Faustregel gilt: Es gibt Entzündungen, die sich lokal zeigen (z.B. ein Ekzem), systemisch (z.B. Diabetes), akut (z.B. akute Blasenentzündung), chronisch beziehungsweise andauernd (z.B. andauernde Bronchitis) sowie still (u.a. durch zu viel weißes Fettgewebe am Bauch) sind. Bei stillen Entzündungen sind bestimmte Parameter im Blut wie z.B. das C-reaktive Protein, kurz CRP, erhöht. Dauert diese über einen längeren Zeitraum an, handelt es sich um eine chronische stille Entzündung. Besonders häufig kommen diese Entzündungsformen bei Menschen mit einem hohen Körperfettanteil vor.

Frau Professor Berling, bei welchen Entzündungen helfen Naturheilmittel?

Nadine Berling: Naturheilmittel eignen sich zur Vorbeugung und als Rückfallprophylaxe von Entzündungen. Zudem lassen sie sich zur Behandlung und Linderung verschiedenster leichter bis mittelschwerer Entzündungen einsetzen. Letztere reichen von Entzündungen der Haut und Schleimhäute über Organentzündungen und Gelenkentzündungen, (chronischen) stillen Entzündungen bis hin zu Entzündungen durch ein überaktives Immunsystem. 

Wirken diese Pflanzen und Kräuter genauso gut wie synthetisch-pharmazeutische Medikamente?

Pflanzen und Kräuter enthalten wie synthetisch-pharmazeutische Medikamente bestimmte und nachweislich wirksame Substanzen. Daher können sie, wie alle Medikamente, Effekte auf die Gesundheit auslösen. In synthetisch-pharmazeutischen Medikamenten ist zumeist ein einzelner Wirkstoff enthalten. Pflanzen und Kräuter speichern hingegen einen Mix aus verschiedenen Substanzen. Das unterscheidet die Pflanzenmedizin von anderen Medikamenten. 

Pflanzliche Ergänzung als Begleittherapie

Es gibt aber natürlich Grenzen: Bei schweren Entzündungen ist die Anwendung von Pflanzen und Kräutern – auch als Fertigarzneimittel – in aller Regel unzureichend. Sie können aber als sinnvolle Begleittherapie eingesetzt werden, etwa um unerwünschten Nebenwirkungen oder Rückfällen vorzubeugen. Ein Beispiel ist der Einsatz eines Medikaments mit Kapuzinerkresse und Meerrettich, das oft zusammen und erfolgreich zur Behandlung von anhaltenden oder wiederkehrenden Blasenentzündungen eingesetzt wird. Wird das synthetisch-pharmazeutische Medikament nach der akuten Entzündung abgesetzt, erfolgt die Einnahme des pflanzlichen Medikaments teils für Wochen oder Monate hinaus und kann so die Rückkehr vormals häufiger Entzündungen vermeiden.

Muss man die Pflanzen und Kräuter selbst suchen und die Tees und Tropfen selbst zubereiten? Oder gibt es auch Fertigarzneimittel aus der Apotheke?

Nein, Pflanzen und Kräuter müssen nicht zwangsläufig selbst gesammelt und weiterverarbeitet werden. Aus meiner Sicht gibt es zwei sinnvolle Optionen: 

Es besteht die Möglichkeit, bereits getrocknete Pflanzen(teile) zum Beispiel in der Apotheke, im Reformhaus oder in der Drogerie zu kaufen und dann weiterzuverarbeiten. Wichtig ist in diesem Fall, dass das Produkt mit dem Qualitätsmerkmal „Arzneimittelqualität“ gekennzeichnet ist. Nur dann handelt es sich um eine Pflanze oder ein Gewürz mit garantiertem Gehalt an arzneilich wirksamen Inhaltstoffen und der Eignung zum medizinischen Einsatz. Bei anderen Produkten handelt es sich oft um Pflanzenteile, die nach dem Lebensmittelrecht zugelassen sind. Deren Zweckbestimmung ist die eines Lebensmittels und nicht die eines Arzneimittels. Mit anderen Worten: Wer auf Nummer sicher gehen möchte, um Entzündungen vorzubeugen oder zu behandeln, sollte immer auf Arzneimittelqualität bei der Produktauswahl achten. Hieraus lassen sich dann zum Beispiel Tees, Tinkturen oder Salben herstellen.

Bei Pflanzenextrakten auf weitere Zusatzstoffe achten

Viele Arzneimittelhersteller bieten Fertigarzneimittel mit Pflanzenextrakten an. Sie sind zwar oftmals preisintensiver als eigens hergestellte Produkte. Zudem können sie Zusatzstoffe enthalten, die manche Menschen nicht oder schlecht vertragen, zum Beispiel Milchzucker. Demgegenüber stehen einige Vorteile. Die Zulassung von Arzneimitteln ist in Deutschland an zahlreiche Bedingungen geknüpft, unter anderem daran, dass ihre Wirksamkeit in großen Studien am Menschen bestätigt wurde. Zudem müssen Arzneimittel einen gleichbleibenden Anteil wirksamer Inhaltsstoffe enthalten, was ihre Zuverlässigkeit hinsichtlich der Effektivität erhöht.

Welche Rolle spielt die Ernährung? Welche Lebensmittel fördern Entzündungen und welche helfen dabei, sie zu bekämpfen?

Die Ernährung des Menschen spielt eine ganz basale Rolle, gerade weil sie alltäglich ist. So enthalten Lebensmittel wie Wurst und fettreiche Fleischprodukte Fettsäuren, welche die Bildung von Entzündungsbotenstoffen fördern können. Wer viele Transfettsäuren zum Beispiel aus frittierten Pommes oder Chips zu sich nimmt, steigert dadurch auf lange Sicht das Risiko für Entzündungen. Auch ist seit langem bekannt, dass eine zuckerreiche Ernährung die Leber belasten kann und über diesen Weg langfristig Entzündungen fördert. Gleiches gilt für Alkoholkonsum. 

Ernährungszustand spielt wichtige Rolle

Wichtig ist es mir in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass es sich um dauerhafte Ernährungsgewohnheiten handelt, die Entzündungen begünstigen können. Dies bringt mich zu einem weiteren Punkt: nicht nur einzelne Lebensmittel können – wenn sie langfristig übermäßig verzehrt werden – Entzündungen begünstigen, sondern der Ernährungszustand an sich: Wer einen stark erhöhten Körperfettanteil hat, steigert hierdurch das Risiko für bestimmte Entzündungen im Körper. Dies liegt daran, dass das weiße Fettgewebe selbst Entzündungsstoffe bildet, die wiederum das Immunsystem aktivieren.

Der Körper benötigt pflanzliche Fette und Öle

Nun zu der Frage, welche Lebensmittel Entzündungen vorbeugen oder diese bekämpfen können. Als Faustregel gilt: je pflanzenbetonter, desto besser. Dies schließt pflanzliche Fette und Öle mit ein. Fisch scheidet aufgrund seiner Fettsäurezusammensetzung besser als Fleisch ab. 

Beispielsweise enthalten Gemüse, Obst und Nüsse viele sekundäre Pflanzenstoffe und Antioxidantien mit antientzündlichen Eigenschaften. Gleichzeitig liefern sie dem Körper Vitamine und Mineralien, die für alle lebensnotwendigen Aufbau-, Abbau- und Abwehrprozesse lebensnotwendig sind. Ernährungskonzepte wie die Vollwerternährung, das Clean-Eating-Konzept und die „Planetary Health Diet“ sind Beispiele für Kostformen, die positive Aspekte vereinen und empfehlenswert sind.

Haben Sie sonst noch Tipps und Empfehlungen, worauf man achten sollte, um Entzündungen zu vermeiden beziehungsweise sie zu behandeln?

Es mag banal klingen: Für gesunde Menschen liegt der Fokus auf der Prävention. Hierzu gehört zudem meiner Ansicht nach auch eine regelmäßige Selbstreflexion mit Fragen wie: Schlafe ich ausreichend? Mache ich ausreichend gesundheitsfördernden Sport? Wie viel Bewegung habe ich im Alltag? Fühle ich mich ausgeglichen und ruhig? Ernähre ich mich gut? Die Antworten auf diese Fragen können bei einer Schieflage bereits einen Anschubser für Veränderungen liefern. 

Individueller Blick auf jede Entzündung

Wer regelmäßig von Entzündungen betroffen ist, sollte der Ursache auf den Grund gehen und diese beheben – egal ob akut, anhaltend oder still, ob lokal oder systemisch. Manchmal kann es hilfreich sein, sich zusätzliche Hilfe zu holen. Es dürfte klar sein, dass jede akute und schwere Entzündung ärztlich behandelt werden muss. Liegt die Ursache für die Entzündung in der Konstitution begründet, in der Lebensweise oder handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, kann Unterstützung von Fachleuten aus Disziplinen wie Psychologie, Ernährung und Bewegung durchaus effektiv sein. Wichtig ist dabei, dass die Maßnahmen stets individuell gestaltet sein sollten.

Vielen Dank für das Interview, Frau Professor Berling. 

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