Corona: So beugen Sie Ängsten vor
Unser Körper hat ein Immunsystem, unsere Psyche ein Fundament. Diese Auffassung vertritt Neurobiologe Gerald Hüther. Für ihn ist es besonders in Pandemiezeiten wichtig, nicht nur auf unsere körperlichen Abwehrkräfte zu achten, sondern eben auch auf unsere emotionalen. Denn aktuell werden wir oft mit Nachrichten konfrontiert, die uns beunruhigen und verunsichern. Deshalb hat der Hirnforscher zu einer besseren Vorsorge gegen Angstzustände aufgerufen. Er tat das beim Online-Live-Talk der österreichischen Diözese Feldkirch. Das Thema: „Wenn die Angst dominiert! Über die Angst in der Corona-Krise und wie wir das Vertrauen in uns selbst und die Gesellschaft stärken können.“
Wie entsteht Angst?
Ja, die meisten von uns haben Angst vor dem Virus. Aber die meinte Hüther nicht. Ihm ging es um die Angst, die durch Vorstellung ausgelöst wird, welche Gefahr von den Viren ausgeht. Angst, so der Hirnforscher, erwachse in den meisten Fällen aus der Überlegung, was „alles“ geschehen könnte.
Pandemie ruft Kindheitsmuster wach
Panisch – so würden Menschen im Lockdown häufiger reagieren, beobachtet Hüther. Denn unsere Schreckensszenarien riefen Angst- und Stresssituationen hervor. Sie lösen dabei ein „Durcheinander im Kopf“ aus und wir verlieren ihn. Die Folge: Wir verfallen in Kindheitsmuster zurück. Das können Sie an Verhaltensweisen wie Herumbrüllen oder dem Zuknallen von Türen erkennen. Im Hirnstamm laufe ein „Notfallprogramm“ ab, erklärte Hüther. Das heißt, wir reagieren nicht sehr viel anders als ein Krokodil – ankreischen, flüchten, erstarren oder totstellen.
Blick auf die Vertrauensressourcen beugt Ängsten vor
Ängste können wir entweder in sich selbst verstärken. Oder wir versuchen, sie kleinzureden. Machtlos dagegen seien wir, wenn uns jemand anders erzähle, wie groß die Bedrohung sei. Was also tun? Hüthers Tipp: Einen bewussten Blick auf die sogenannten Vertrauensressourcen werfen. Darunter versteht er:
- Das Vertrauen in die eigene Kompetenz. Schließlich hat jeder bereits Schwieriges für sich aus eigener Kraft gelöst. Eltern könnten diese Selbstwirksamkeit bei ihren Kindern fördern, indem sie den Nachwuchs zum Beispiel Hürden selbst meistern ließen. Für den Neurobiologen macht es sogar Sinn, seinen Kindern möglichst viele kleine Steine in den Weg zu legen. Denn nur so lernen sie Probleme zu lösen, wie er findet.
- Das Vertrauen in andere Menschen, in Freunde, Verwandte und Bekannte, ganz nach dem Motto: „Gemeinsam sind wir stark!” Diese Ebene komme nach Hüthers Meinung mit zunehmender Dauer der Pandemie oft zu kurz. Nach der Anfangsphase gegenseitiger Unterstützung würden nun das „Ellenbogen- und Konkurrenzdenken“ der Wettbewerbsgesellschaft langsam wieder die Oberhand gewinnen, bedauerte der Neurobiologe.
- Das Ur- beziehungsweise Gottvertrauen. Es ließe sich auch als das „Vertrauen, dass alles wieder gut wird“ beschreiben. Hüther weiß allerdings, dass es den Menschen im heutigen Zeitalter schwerfalle, darauf zu vertrauen, dass es etwas gibt, dass einen hält und beschützt.
Für Hüther gleichen die Vertrauensressourcen einem dreibeinigen Hocker. Leider seien die Hockerbeine dünn geworden. Deshalb geraten wir schnell in Panik, ortet Hüther ein Problem ein.
So stärken Sie Ihre Psyche in der Corona-Zeit
„Man muss aus dem Kopf raus, muss sich wieder mit sich selbst und seiner inneren Kraft verbinden“, erklärt der Autor mehrerer Bücher. Die Ratschläge des Experten für die Corona-Zeit:
- Gehen Sie liebevoll mit sich selbst und Ihren Bedürfnissen um. Tun Sie nichts, was Ihnen nicht gut tut!
- Stärker Sie sich: Nur der Zugang zu den eigenen lebendigen Bedürfnissen gebe einem das Gefühl, lebendig zu sein.
- Stillen Sie Ihre Bedürfnisse, die Sie vielleicht schon lange unterdrücken:
3a) Kümmern Sie sich um Dinge und Menschen, die Ihnen wichtig sind
3b) Entdecken Sie alte Entdeckerfreude neu
So wenig wir an den derzeitigen Gegebenheiten auch ändern könnten, so sehr können wir „Verankerungen“ suchen. Damit seien wir besser gewappnet, wenn uns jemand „Angst einjagen“ will. Man wisse, was man wert sei.
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